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2 Methodik

Die empirische Sozialforschung bedient sich heute sowohl quantitativer als auch qualitativer Methoden. Mit quantitativen Erhebungstechniken wie standardisierten Fragebögen oder Beobachtungsschemata können bspw. Häufigkeiten, Stärke von Zusammenhängen, Verteilungs- und Streuungsparameter von Meinungen oder Verhaltensweisen in der Bevölkerung aufgezeigt werden, so daß ausschnitthaft ein "Panoramabild des Forschungsfeldes" (Bock, 1992, 92) aufgemalt werden kann, um vorhandene Hypothesen oder Theorien zu überprüfen. (Scheuch, 1973; Huber/Mandl, 1994, 7; Lamnek, 1993, 4)

Daneben haben seit etwa Mitte dieses Jahrhunderts Methoden der qualitativen Sozialforschung, wie teilnehmende Beobachtung, teilstandardisiertes Interview oder offenes bzw. narratives Interview, ihren Platz im wissenschaftlichen Methodenkanon gefunden. In deutschsprachiger Literatur ist die qualitative Sozialforschung als neues Paradigma neben den quantitativen Methoden erst seit Mitte der 80er Jahre voll etabliert, wohingegen in den USA, dem Mutterland dieser Disziplin, diese bereits in den 70er Jahren anerkannt waren. (Lamnek, 1993, 30ff.)

Qualitative Sozialforschung wird eingesetzt zur "Ausweitung vorwissenschaftlichen Verständnisses" (Scheuch, 1973, 123), zur "Erarbeitung basaler Informationen" (Hopf, 1991, 177) oder zur Suche (Exploration) und Aufstellung (Generierung) von Theorien (hron, 1994, 128). Lamnek (1993, 103) weißt ihr zusammenfassend drei Funktionen zu: Formulierung, Modifizierung und partielle Prüfung von Hypothesen und Theorien.

Die Methoden und die Terminologie der qualitativen Sozialforschung haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten entsprechend ihrer Anerkennung in deutscher Literatur breitere Darstellung gefunden. Spricht Scheuch (1973) lediglich von Tiefeninterviews und Atteslander (1975) von halbstrukturierten und nicht-strukturierten Interviews, finden sie in neuerer Literatur ausführlichere Erwähnung (z.B. Atteslander, 1995). Unter dem Oberbegriff halbstrukturiertes oder leitfadenorientiertes Interview werden weitere Unterarten wie fokussiertes, problemzentriertes und andere spezielle Techniken unterschieden (z. B. Hopf, 1991; Lamnek, 1989), oder begrifflich bunt gemischt (Bock, 1992). Flick erwähnt daneben noch als `anwendungsfeldbezogenen Ansatz´ u.a. das Experteninterview (1995, 109f.; vgl. auch Lamnek, 1989, 38).

Im Gegensatz zu den quantitativen Methoden gibt es bei den qualitativen keinen durchstrukturierten Fragebogen mit geregeltem Ablauf der Fragen, an den sich der Interviewer in konsequenter Reihenfolge halten muß. Bei den teilstandardisierten Interviews existieren Leit- oder Kernfragen, die den Gesprächsleitfaden des Interviews bilden können. Die Leitfragen müssen allerdings nicht in ihrer notierten Reihenfolge `abgehakt´ werden, sondern es handelt sich um eine weitgehend offene Gesprächsführung, die dem Befragten selbständige Formulierung ermöglicht. Beim narrativen bzw. nicht-standardisierten Interview, das besonders bei lebensgeschichtlich bezogenen Fragestellungen Verwendung findet, wird auch auf Leitfragen verzichtet, damit der Befragte seine Erlebnisse spontan im Sinne einer `Stegreiferzählung´ darstellen kann. (Atteslander, 1995, 176f.; Hopf, 1991, 179ff.; Lamnek, 1989, 69ff.)

Das aus der Medienforschung entwickelte fokussierte Interview hat ein vorab bestimmtes Gesprächsthema zum Inhalt, z. B. einen Film, einen Artikel oder eine soziale Situation. Beim problemzentrierten Interview existiert zwar zur Erfassung von biographischen Daten ein Gesprächsleitfaden, dieser dient aber nur zur thematischen Orientierung, um dem Befragten weitreichende Artikulationschancen einzuräumen. Im Gegensatz zu diesen Techniken der Datengewinnung steht beim Experteninterview der Befragte nicht als zu untersuchende Person im Vordergrund, sondern als Informationslieferant für das Interessengebiet des Fragenden. (Hopf, 1991, 177f.; Lamnek, 1989, 69ff.; Flick, 1995, 109f.) Wer dabei als Experte angesehen wird, hängt ganz vom jeweiligen Forschungsfeld und der spezifischen Fragestellung ab. Nichts desto trotz wird er vom Fragenden selbst als solcher angesprochen, in der Hoffnung, in irgendeiner Weise zur Problemlösung durch zusätzliche Informationen beitragen zu können. (Meuser/Nagel, 1991, 443)

Entsprechend der Intention der vorliegenden Arbeit kam das leitfadenorientierte Experteninterview zur Anwendung:

Im Gegensatz zu den mittlerweile zahlreichen Erhebungsmethoden der qualitativen Sozialforschung herrscht ein Mangel an Auswertungstechniken, die dem qualitativen Ansatz gerecht werden. Oftmals wird lediglich darauf abgestellt, Gemeinsamkeiten in den Interviews herauszufinden und daraus Typen zu bilden (Bock, 1992, 93; Gerhardt, 1991, 434). Zur Auswertung von Experteninterviews haben Meuser/Nagel (1991) eine Auswertungsroutine vorgestellt, nach der auch die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Interviews ausgewertet wurden (vgl. auch Lamnek, 1989, 204ff. und Bock, 1992, 98ff.):

  1. Schritt: die Gespräche wurden auf Tonträger aufgenommen und in Schriftform überführt (Transkription)
  2. Schritt: die Aussagen der Experten werden auf die wesentlichen Inhalte unter Beibehaltung des Sinnzusammenhangs verdichtet
  3. Schritt: unter Zuhilfenahme des Gesprächsleitfadens als Orientierungsrahmen werden die einzelnen Aussagen der Experten in inhaltlich-thematisch zusammengehörige Kategorien aufgeteilt
  4. Schritt: anhand der gebildeten Kategorien kann die Diskussion und der Versuch einer Antwortfindung erfolgen

Schritt 3 dieser Auswertungsroutine ist im Ergebnisteil der Arbeit in Kapitel 5 ausformuliert, Schritt 4 folgt in Kapitel 6. Die Gliederungen dieser beiden Kapitel sind durch die Auswertungsmethode stark aneinander angelehnt. Dies gewährleistet auch eine gute Vergleichbarkeit der Ergebnisdarstellung und der Diskussion

Vom 13.11.96 bis 2.2.97 wurden 15 leitfadenorientierte Experteninterviews mit 17 Personen geführt. Das nicht-repräsentative Spektrum der befragten Experten umfaßte professionelle Konfliktmittler, Landschaftsplaner, mediationserfahrene Verwaltungsbedienstete und Wissenschaftler, die sich mit Mediation beschäftigen. Ihre fachliche Qualifikation ergab sich aus ihren beruflichen Erfahrungen, die zum Teil auch in Fachveröffentlichungen ihren Niederschlag finden. Die Gespräche dauerten zwischen 35 und 50 Minuten, ein durchgeführtes Gruppeninterview mit drei Befragten 90 Minuten. Zwei telefonisch geführte Interviews waren in den Formulierungen kürzer gefaßt und dauerten zwischen 20 und 25 Minuten.

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